Dienstag, 21. Juli 2015

[Rezension] David Duchovny: "Heilige Kuh"

Titel: "Heilige Kuh"
Englischer Originaltitel: "Holy Cow"
Autor: David Duchovny
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsjahr (in Deutschland): 2015
Format // Preis: Gebundene Ausgabe (16,99€) // E-Book (13,99€)
Seiten: 224



Elsie ist eine junge Kuh und eine glückliche dazu! Ihr idyllisches Leben auf dem Bauernhof hat einen klar strukturierten Tagesablauf: Aufstehen, gemolken werden (hoffentlich vom jüngeren Sohn des Bauern, der nicht dauernd auf seinem Handy rumdaddelt), lauschige Spaziergänge auf der Weide, mit ihrer Busenfreundin Mallory plaudern und anschließend wieder schlafen gehen. Elsie ist zufrieden, sie kennt es nicht anders und weiß, dass ihr Leben auch zukünftig so verlaufen wird.
Doch Elsies heile Welt fällt mit einem Schlag zusammen, als sie mit der bitteren Realität konfrontiert wird. Bei einem heimlichen nächtlichen Ausflug muss sie durch das Fenster des Bauernhofs mit ansehen, was der "Schachtelgott" (so nennen die Menschen den Fernseher) über "industrielle Mastbetriebe" offenbart. Elsie ist über das grausame Töten ihrer Artgenossen erschüttert und fasst einen wagemutigen Entschluss: Bevor auch sie zu einem Schnitzel verarbeitet wird, muss sie in eine bessere und sichere Welt flüchten. Unterstützung erhält sie von einem zum Judentum konvertierten Schwein und einem aufgedrehten Truthahn, die ihr auf ihrer abenteuerlichen Reise durch die Welt Gesellschaft leisten wollen.




Die meisten Leute glauben, dass Kühe nicht denken können.
Hallo?




Ich muss zugeben, dass ich damals beim Stöbern in der Buchhandlung vermutlich an diesem Buch vorbeigegangen wäre, wenn mich nicht ein hieb- und stichfestes Argument dazu bewogen hätte, es mir einmal genauer anzuschauen. Und dieses Argument lautete: David Duchovny.
Ja, dieser Mann ist eben einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler. Und selbst diejenigen unter euch, die ihn nicht in seiner Rolle als Fox Mulder in The X-Files angehimmelt haben und ihn vielleicht auch nie in der für ihn perfekt zugeschnittenen Rolle in Californication gesehen haben, werden mir bestimmt trotzdem zustimmen: Duchovny hat sich mit der Schauspielerei mittlerweile einen Namen gemacht. Umso überraschter war ich, ihn nun auf unerwartetem Terrain anzutreffen, doch tatsächlich: David Duchovny kann anscheinend nicht nur sehr gut schauspielern, sondern er er besitzt auch ein Talent zum Schreiben - und das beweist er mit jeder Seite seines Romans "Heilige Kuh".

Wie schon angedeutet, hat mich das Cover des Buches allerdings am Anfang nicht sonderlich angesprochen. Man sieht die abstrakte Zeichnung einer Kuh, aber von hübsch, süß oder lustig ist dieses arme Tierchen meilenweit entfernt. Das macht zwar Sinn, da auch die Geschichte selbst kein Kinderbuch mit Knautschbildern zum Anfassen sein soll, doch so richtig daran gewöhnen konnte ich mich nicht. Auch im Roman tauchen ähnliche Bilder von Elsie und ihren Reisebegleitern auf, die den skurrilen Charakter dieses Romans noch zusätzlich verstärken.

Im Gegensatz zu den eher gewöhnungsbedürftigen Bildern fährt die Geschichte selbst jedoch stärkere Geschütze auf. Ich verrate euch nur so viel: Die Skurillität ist nicht die einzige Zutat, die "Heilige Kuh" zu einem Roman der besonderen Art machen, denn Duchovny kombiniert diese mit einer ganzen Menge Sarkasmus und einer ordentlichen Prise schwarzen Humor. Auch die Wortgewandtheit dieser besonderen Kuh hat mich schon nach wenigen Sätzen überzeugt, was sich vermutlich nicht zuletzt auf den fantastischen Übersetzer Timur Vernes zurückführen lässt (dem Autor von dem herrlich bissigen Werk "Er ist wieder da"), so dass dieser Roman auch in der deutschen Ausgabe seinen ganzen Witz und Charme entfalten kann.

Ein Textbeispiel (S. 12):
"Also, persönlich halte ich das ja für ein bisschen krank, dass man die Milch von anderen Tieren trinkt. Ihr werdet jedenfalls nie sehen, dass ich zu irgendeiner Menschenfrau hingehe, die gerade gekalbt hat und sie frage: 'Ey, kann ich auch mal 'n Schluck?' Krank stimmt's? Geht nicht. Irgendwie fies. Aber deshalb mögt ihr uns."

Ich zähle eigentlich zu den eher stillen Lesern und wenn ich beim Lesen eines Buches mal über etwas Lustiges schmunzeln muss, ist das schon eine Seltenheit. Bei diesem Roman habe ich jedoch nicht nur hin und wieder gelächelt, sondern ich musste stellenweise sogar das Buch zur Seite legen und einfach nur lachen, weil Elsies Ausführungen derart von bissigen Kommentaren und trockenem Galgenhumor gespickt waren, dass diese junge Kuh genau meinen Geschmack getroffen hat.

Elsie ist schon 'ne Marke und die vielen Kommentare und Randbemerkungen, die sie im Laufe der Erzählung zum Besten gibt, lassen alle Klischees über langweilige, ständig nur wiederkauende Kühe auf einmal ganz realitätsfremd wirken.
Weniger fernab der Realität ist jedoch die traurige Tatsache, dass nicht nur Elsies Artgenossen, sondern fast alle Tiere auf ihrem Bauernhof unter grauenvollen Bedingungen getötet werden, um den Menschen, die Elsie eigentlich sehr gerne hat, als Nahrung zu dienen. Duchovny beschreibt sehr anschaulich, wie eine denkende und durchaus fühlende Kuh mit dieser Horrordarstellung konfrontiert wird und wie es nicht nur auf Tiere, sondern auch auf Menschen wirken würde. Denn Elsie ist in diesem Roman nicht ausschließlich eine Kuh - sie ist vielmehr jener Teil Menschen, der hinsichtlich dieser Tatsache oft abgestumpft ist und sich nicht länger damit auseinandersetzen will. Mit dieser traurigen Botschaft appelliert Duchovny, selbst überzeugter Vegetarier, die Welt aus Elsies Sicht zu sehen. Und das fällt nicht schwer, weil sich diese schlaue Kuh mit ihrer locker-flockigen Art und ihrem düsteren Humor beim Leser unglaublich punkten kann.

Diese beschriebene Kernbotschaft taucht jedoch im Roman explizit nur einmal auf, als Elsie vom Schicksal der anderen Kühe erfährt, doch ab diesen Zeitpunkt zieht sich die Botschaft sich durch den ganzen Roman, denn sie bestimmt fortan Elsies Handeln und bestärkt sie in ihrem Entschluss, nach Indien zu gehen, wo Kühe als heilige Tiere verehrt und nicht gegessen werden. Im Laufe der Geschichte fiel mir jedoch auf, dass auch mit Duchovny etwas geschah, was mir schon bei vielen Autoren aufgefallen ist (Neulingen ebenso wie erfahrenen Autoren): Er hat sein Pulver verschossen. Elsies Geschichte, anfangs nicht so explosiv und lustig wie ein Pulverfass, verknüpft mit Jerry - äh, ich meine Shalom, dem Schwein, das zum Judentum konvertiert ist - und dem Truthahn Tom plätschert kurz nach ihrer Flucht nur noch seicht vor sich hin und mir fehlten Elsies so schlagfertig gesetzte Äußerungen. Der Roman wird zwar mit einer guten, nachvollziehbaren Moral abgerundet, doch das Ende lässt Duchovny ein wenig offen. Zum Schluss hätte ich mir gewünscht, dass Duchovny auch selbst noch einmal kurz Stellung zu dieser Problematik nimmt, aber wahrscheinlich hat er es allein Elsie überlassen, seine klare Botschaft zu vermitteln.




Auch wenn "Heilige Kuh" meiner Meinung nach noch nicht ganz ausgereift ist, legt David Duchovny dennoch einen ungewöhnlichen Debütroman vor, den der Leser nicht so schnell vergisst. Man sympathisiert sofort mit der neunmalklugen Elsie, die mehr sein will als nur ein Nahrungsmittel und deswegen nicht nur nach einer neuen Heimat, sondern eigentlich auch nach dem Sinn ihres Daseins sucht. Eine schwierige Thematik, die Duchovny jedoch meisterhaft gelöst hat und somit beweist, dass er auch das Potential zu einem guten Schriftsteller hat.

Ich gebe diesem tollen Roman von der gewitzten Elsie deswegen vier von fünf Sternen.


★ ★ ★ ★ ☆



2 Kommentare:

  1. Huhu,
    ich habe dich getaggt ( Hier kommst du zum dem Post ) und würde mich riesig freuen, wenn du mitmachen würdest!
    LG Lena ❥

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