Samstag, 22. August 2015

[Rezension] Stephen King: "Revival"

Titel: "Revival"
Englischer Originaltitel: "Revival. A Novel"
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsjahr (auf deutsch): 2015
Format // Preis: Gebundene Ausgabe: 22,99€ // E-Book: 18,99€
Seiten: 512




Jamie Morton ist gerade sechs Jahre alt und spielt vor dem Haus seiner Eltern mit Plastiksoldaten, als sich ein dunkler Schatten über ihm ausbreitet, der ihn für den Rest seines Lebens verfolgen wird: So lernt Jamie den neuen Methodistenprediger Charles Jacobs kennen, ein junger Mann, der gerade mit seiner Frau und seinem Sohn in das kleine Dorf in Neuengland gezogen ist, um dort sein Amt in der gottesfürchtigen Gemeinde anzutreten. Mit seiner liebenswerten Art gewinnt er schnell die Herzen der Kinder und besonders Jamie ist begeistert von seinen zahlreichen elektrischen Spielereien, mit denen er Bibelgeschichten veranschaulicht.
Diese unbeschwerte Zeit findet jedoch ein grausames Ende, als sich ein schrecklicher Unfall ereignet, der Jacobs vom Glauben abfallen lässt. Er hält eine letzte Predigt, die in einer rasenden Gottesverfluchung gipfelt und wird daraufhin von der Gemeinde verstoßen. Doch über die Jahre hinweg trifft Jamie immer wieder auf seinen ehemaligen Prediger - und mit jedem Mal zieht er ihn tiefer in seine dämonische Welt, bis es kein Entkommen mehr gibt ...




In wenigstens einer Hinsicht ist unser Leben wirklich wie ein Film.




Ich will ehrlich sein: Ich hätte dieses Buch wahrscheinlich nicht gekauft, wenn nicht in Großbuchstaben Stephen King drauf gestanden hätte. Denn obwohl die Inhaltsangabe das Geschehen  genau beschreibt und auch angemessen zusammenfasst (ihr habt vermutlich schon gemerkt, dass sich auch meine verkürzte Inhaltsbeschreibung sehr am Klappentext orientiert), konnte sie mich nicht wirklich vom Hocker reißen. Ein Junge also, der im Laufe seines Lebens immer wieder auf seinen ehemaligen Prediger trifft, der damals von der Gemeinde verstoßen wurde. Gähn.
Doch zum Glück ließ ich mich davon nicht abschrecken, kaufte mir Kings neuen Roman und wurde für diese Entscheidung mit einem wirklich grandiosen Buch belohnt. Und dieses Buch schaffte es dann tatsächlich: Es riss mich komplett vom Hocker, soll heißen: Es übertraf meinen kühnsten Erwartungen!

Wie ich es schon von King gewohnt war, zog mich die Geschichte sofort in ihrem Bann und aus meinem ursprünglichen Vorhaben: "Ich lese mich nur mal ganz kurz in die Geschichte ein" wurde  schnell ein längerer Lesemarathon, bei dem ich in jeder freien Minute zu diesem Buch griff. Auch wenn man das hinsichtlich des Umfangs dieses Romans nicht vermuten würde, handelt es sich bei "Revival" um eines von Kings kürzeren Geschichten, ähnlich wie "Misery", bei der man vor Spannung fast schon über die Seiten fliegt und auf das unausweichliche, schreckliche Finale hinfiebert.

Doch bis es soweit kam, bewies mir King einmal mehr, dass er nicht nur jede noch so harmlose Situation mit einer dunklen und drückenden Atmosphäre belasten kann, die das zukünftige Grauen schon erahnen lässt, sondern dass er es auch problemlos schafft, den Leser selbst dann an eine Geschichte zu fesseln, wenn eigentlich nicht viel passiert. Und gerade dies macht ihn aus meiner Sicht zu einem der besten (Horror-) Autoren der heutigen Zeit.
Am Anfang war ich noch etwas überrascht, dass in der ersten Hälfte des Buches vergleichsweise wenig passierte, was Kings so markanten, gruseligen "Fingerabdruck" trug - abgesehen von dem schrecklichen Unfall, der natürlich in allen blutigen Einzelheiten beschrieben werden musste und  mich eine Nacht nicht ruhig schlafen ließ. Davon abgesehen, stand in erster Linie das Leben von Jamie Morton im Mittelpunkt, den ich auf allen wichtigen Stationen in seinem Leben begleitete: Behütete Kindheit, Kennenlernen mit Jacobs bis hin zu dessen schändlicher Predigt, erste Liebe, Beginn einer Musikerkarriere und so weiter (ich möchte euch ja nicht alles vorwegnehmen). All dies trug jedoch dazu bei, dass ich Jamie als eine sehr authentische Person erlebte, dessen Gedanken und Ängste ich sehr gut nachvollziehen konnte. Dies wurde durch die Tatsache, dass er die Ereignisse aus seiner Sicht schilderte, ähnlich wie in einem Tagebuch, noch zusätzlich verstärkt.

Wie schon im Klappentext beschrieben, wurde Jamie im Laufe der Geschichte immer tiefer in die grauenvolle Welt von Jacobs hineingezogen. Und immer wieder führte ihm sein ehemaliger Priester vor Augen, dass es kein Zurück in die Vergangenheit, sondern nur den Weg in eine unbestimmte Zukunft gab. Und plötzlich wurde mir klar, warum ich Jamie von Anfang an begleiten sollte, denn so hatte ich zum Ende des Romans das Gefühl, ein realer Teil seines Lebens gewesen zu sein. Ich empfand auf einmal dieselbe Trauer und denselben Schmerz wie er, als er im fortgeschrittenem Alter an seine erste große Liebe, sein erstes Konzert und an inzwischen verstorbene Familienmitglieder zurückdachte. Ich habe mich selten einer Hauptfigur so nahe gefühlt wie Jamie in diesem Moment und war wirklich fasziniert, dass King so ein genaues Gespür dafür hatte, wie er mich in dieser Geschichte am meisten berühren konnte.

Nur noch ein paar abschließende Worte zum Finale des Buches: Es war hart. Hart, grausam, schonungslos und es traf mich vollkommen überraschend. Anders als in den Romanen, die ich bisher von King gelesen hatte, ging der Meister des Horrors in diesem Roman noch einen Schritt weiter und führte mich nicht nur direkt in das schlimmste Grauen hinein, sondern, viel schlimmer noch: Er ließ mich damit zurück. Er zeichnete somit ein auswegloses Ende auf und überließ es dem Leser, sich damit auseinanderzusetzen. Und das war grauenvoll, auf jeden Fall - aber auch fantastisch gut.




"Revival" ist einerseits ein klassischer Stephen-King-Roman, der es jedoch auch ohne blutige Beschreibungen schafft, den Leser von Anfang an zu fesseln. Dennoch ist während der ganzen Geschichte zu spüren, dass der Hauptfigur ein unausweichliches Finale mit seinem ehemaligen Priester bevorsteht, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Und andererseits überschreitet King in diesem Roman scheinbar mühelos die Grenzen des Möglichen und fordert die Fantasie des Lesers bis zum Äußersten hinaus. Keine leichte Bettlektüre, wie immer - aber trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) ein neuer Höhepunkt auf Stephen Kings literarischer Karriere.
Dafür gibt es von mir fünf von fünf Sternen.

★ ★ ★ ★ ★


2 Kommentare:

  1. Hallo Bianca,

    sehr schöne Rezension zu diesem Buch! Das Ende fand ich ebenfalls hart, aber sehr passend und eben vom Meister gestrickt. :-) Allerdings hat er mir während der Geschichte etwas zu sehr mit dem Horror gespart und erst am Schluss die volle Ladung präsentiert.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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    1. Hallo Nicole,

      vielen lieben Dank für deine netten Worte :)

      Da stimme ich dir zu, "Revival" ist wirklich ein sehr ungewöhnlicher Roman, der sich nicht so leicht in den Kanon von King einordnen lässt. Dennoch war es für mich ein besonderes Erlebnis, ungefähr so, wie wenn man Bruce Willis in einem Liebesfilm sieht: Der Film ist zwar auch ohne Action toll, aber wenigstens einmal muss er trotzdem zuschlagen. So ging es mir mit diesem Buch und das hat mir richtig gut gefallen ;D

      Viele Grüße,
      Bianca

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