Donnerstag, 15. Januar 2015

[Rezension] Stephen King: "Misery" (dt. Originaltitel: "Sie")

Hallo, liebe Büchernerds!

Heute stelle ich euch einen etwas älteren Titel aus den dunklen Ecken meiner Sammlung vor, der für mich dennoch bis heute seinen Reiz nicht verloren hat. Aber lest selbst …

Titel: "Misery"
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsjahr: 1987
Preis: 9,99€
Seiten: 528

Inhalt:

Paul Sheldon, ein klassischer amerikanischer Kitsch-Autor, verunglückt an einem stürmischen und schneereichen Tag mit seinem Auto und wird dabei schwer verletzt. Da er sich auf einer kleinen Landstraße befindet, weit abseits der nächsten größeren Städte, hätte dies vermutlich seinen Tod bedeutet, wenn die tatkräftige Krankenschwester Annie Wilkes nicht zur Stelle gewesen wäre. So findet sich Paul einige Zeit später in ihrem Haus wieder und erfährt, was sich zugetragen hat. Und, was für ein Zufall:

(…) es dauerte noch eine lange Zeit, bis es ihm möglich war, die getrocknete Schicht Speichel aufzubrechen, die seine Lippen zusammenklebte, und zu krächzen: „Wo bin ich?“, in Richtung der Frau, welche mit einem Buch in der Hand neben dem Bett saß. Der Name des Mannes, der das Buch geschrieben hatte, war Paul Sheldon. Er identifizierte ihn ohne Überraschung als seinen eigenen.
„Sidewinter, Colorado“, sagte sie, als es ihm schließlich möglich war, die Frage zu artikulieren. „Mein Name ist Annie Wilkes. Und ich bin …“

„Ich weiß“, sagte er. „Sie sind mein größter Fan.“
„Jawohl“, sagte sie lächelnd. „Ganz genau das bin ich.“
Das Buch, das Annie in der Hand hält, ist der vorletzte Band von Pauls „Misery“-Reihe, die vor allem bei den typischen amerikanischen Hausfrauen sehr beliebt ist. Annie ist geradezu besessen von der tragisch-romantischen Geschichte der Heldin Misery, die jedoch im kommendem Band einen Abschluss finden soll: Paul hat bereits vor einiger Zeit beschlossen, sich von dieser Serie zu verabschieden und ernsterer Literatur zu widmen.
Als Annie erfährt, dass Misery im letzten Band stirbt, ändert sich Pauls Situation dramatisch: Annie zwingt ihn, ein weiteres Buch über Misery zu schreiben, in dem ihre geliebte Heldin wieder auferstehen soll. Paul weigert sich zunächst, muss jedoch schnell erkennen, dass er gegen die verrückte und ebenso grausame Annie keine Chance hat, die auch vor größter Brutalität nicht zurückschreckt.

Meine Meinung:

Eines vorweg: „Misery“ war mein erstes Buch von Stephen King, das ich erstmals durch eine Parodie von Family Guy kennenlernte, in welcher die Handlung in einer schönen Kurzfassung wiedergegeben wurde. Das ist auch nicht schwer, ist der Roman doch im Gegensatz zu einigen Monster-Kloppern des Autors wie „Es“ mit stolzen 1536 Seiten eine fast sympathische Kurzgeschichte, die es dennoch in sich hat. Diese Erfahrung machte ich schon nach wenigen Seiten.
Das Gute und gleichzeitig das Schlechte an diesem Buch: Es lässt einen nicht mehr los. Einmal angefangen, konnte ich es kaum mehr aus der Hand legen, zum Einen aus einer morbiden Neugier, was Annie wohl als Nächstes mit Paul anstellen würde, zum Anderen getrieben von der Hoffnung, dass es ihm irgendwann gelingen würde, sich aus ihren mächtigen Klauen zu befreien. Nicht ohne Grund wird Annie von Paul nicht als eine grausame, perverse, verrückte, gestörte, geisteskranke, schreckliche Krankenschwester bezeichnet, sondern schlicht als „Göttin“, die über ihn Macht hat, ihn zu allem zwingen kann und als Monster im Frauenkörper erstaunlich robust und praktisch unzerstörbar ist.
Da ich inzwischen auch andere Bücher von King gelesen habe, kann ich im Nachhinein sagen, dass er seinem damaligen Stil bis heute weitestgehend treu geblieben ist. Er schreibt flüssig und schafft von Anfang an eine zum Zerreißen gespannte Stimmung, die den Leser nur hin und wieder kurz aufatmen lässt, um dann doch all seine Hoffnungen wieder einzureißen. Außerdem benutzt er unglaublich treffende Vergleiche, zum Beispiel die sehr eindrücklich beschriebenen „Holzpfähle“, die Paul immer wieder anführt, um seine Schmerzen zu beschreiben. Wie es dazu kam, erzählt der Autor in einer interessanten Hintergrundgeschichte, so dass man nach und nach mehr über Paul und Annie erfährt, deren Handeln man sehr gut nachvollziehen kann. Sogar bei Annie macht es Sinn, dass sie so gestört ist und sie erfüllt ihre Rolle als das „weibliche Böse“ über alle Maßen.
Ansonsten ist die Geschichte vollkommen in sich gekehrt, spielt sich allein in Annie einsamen Haus ab, in dem keine anderen Besucher erwünscht sind und Paul ihr somit schutzlos ausgeliefert ist.
Interessant ist auch, dass ich das Gefühl hatte, als ob die Grenzen zwischen dem wahren Autor - Stephen King - stellenweise mit dem fiktiven Autor - Paul Sheldon - verschwimmen, als dieser von seinen persönlichen Erfahrungen berichtet, die sehr realistisch ist die Handlung eingefügt wurden. Da beide zumindest den gleichen Beruf teilen, erfährt man viele interessante Details über das Leben eines Schriftstellers und welche Rolle das Schreiben in dessen Leben spielt.
Auch die Misery-Geschichte spiegelt Pauls Leiden wider und wird auszugsweise in ausgewählten Kapiteln wiedergegeben, einige der wenigen Lichtpunkte für den Leser, in denen man zu kurzen Atempausen kommt. Mich hat dieser zusätzliche Handlungsstrang nicht gestört, da er viel Raum für mögliche Interpretationen liefert.

Trivia:

Ich weiß nicht, was sich der Übersetzer dabei gedacht hat und wie viele Personen er davon überzeugen musste, aber der Titel „Sie“ ist meiner Meinung nach vollkommen unpassend. Versteht mich nicht falsch, ich bin grundsätzlich eher ein Fan von kurzen Titeln - der Roman „Es“ ist ein passendes Beispiel dafür - aber bei diesem Buch bevorzuge ich den Originaltitel, nämlich „Misery“, der die Geschichte viel besser zusammenfasst.
Vielleicht kennen einige von euch auch die Verfilmung des Buches (die seltsamerweise ebenfalls „Misery“ heißt), aber wie so oft ist die Buchvorlage im Längen besser. Selbst Stephen King sagte zum Beispiel, dass er sich für den Darsteller des Paul Sheldon jeden anderen gewünscht hätte, nur eben nicht diesen Schauspieler.

Fazit:

„Misery“ verschaffte mir einen guten Einstieg in die düstere Welt von Stephen King gehört zur Abwechslung zu einer seiner kürzeren Geschichten, die dennoch für einen schönen Lesestoff sorgt. Typisch King geht es nicht allein um das Abschlachten wehrloser Opfer, sondern auch um die menschliche Psyche, also dort, wo sich die wahren Abgründe auftun. Und genau das gefällt mir an Horrorbüchern generell sehr.
Deswegen gebe ich diesem Buch meine volle Punktzahl von fünf Sternen.

★ ★ ★ ★ ★



Bis bald,
eure Bianca.

2 Kommentare:

  1. Stephen King gehört sowieso in die Kategorie Sebastian Fitzek, James Patterson, usw. deswegen muss ich unbedingt bald ein Buch von ihm lesen. "Sie", finde ich auch einen nicht allzu ansprechenden Titel, allerdings verstehe ich die Pro-Argumente dafür, wenn man den Klappentext gelesen hat. Deine Rezension gefällt mir auch sehr gut :)
    P.S: Kennst du "Carrie" oder "Der Angriff"? Die sind beide auch von Stephen King- und stehen auf meiner WuLi.

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    1. Ah, ich wusste gar nicht, dass es auch Argumente für diesen Titel gibt, gut zu wissen :) In der Kindle-Version gibt es leider keinen Klappentext.
      Sebastian Fitzek lese ich erst seit kurzem und mir gefällt sein Schreibstil sehr gut :)

      Ich kenne Carrie, die liegt noch auf meinem SUB, aber "Der Angriff" sagt mir nichts. Meinst du vielleicht "Der Anschlag"?

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