Sonntag, 28. Juni 2015

[Rezension] Isaac Marion: "Warm Bodies" (dt. Titel: "Mein fahler Freund")

Titel: "Warm bodies" (englischer Originaltitel)
Deutscher Titel: "Mein fahler Freund"
Autor: Isaac Marion
Verlag: Hobbit Presse / Klett-Cotta
Erscheinungsjahr: 2010 (auf englisch)
Format // Preis: 9,95€ (Gebundene Ausgabe)
Seiten: 298




Die Menschheitsgeschichte hat eines ihrer dunkelsten Kapitel erreicht: Ein geheimnisvolles Virus hat einen Großteil der Erdbevölkerung grausam dahingerafft und zwingt die wenigen Überlebenden, sich hinter riesigen Mauern zu verbarrikadieren und auf den Trümmern ihrer Geschichte ein neues Leben aufzubauen. Ihre schlimmsten Feinde sind die neuen Wesen, mit denen sie sich fortan ihre Welt teilen müssen: Die Zombies. Unersättlich streifen sie umher, immer auf der Suche nach  frischer Beute. 
R ist einer von ihnen. Er erinnert sich nicht an sein früheres Leben, sogar seinen Namen hat er vergessen. Vielleicht hat er mit einem R angefangen haben, aber genau weiß er es nicht. Er verbringt die Zeit zusammen mit einer großen Gruppe anderer Zombies auf einem Flughafen, wo er meistens herumsteht und stöhnt. Doch sein eintöniges Dasein ändert sich, als er eines Tages Julie kennen lernt und sich unsterblich in sie verliebt - ein lebendes, menschliches Wesen.




"Ich bin tot, aber es ist nicht schlimm. Ich habe gelernt, damit zu leben."




(Zur besseren Übersicht fasse ich meine Meinung und meine Erlebnisse mit diesem Buch in diesem Abschnitt zusammen)

Ich habe mir diesen Roman gekauft, weil ich ein großer Fan von The Walking Dead bin. Das klingt ziemlich banal und fantasielos, aber es entspricht der Wahrheit. Vorher hat mich die ganze Zombie-Thematik nur peripher interessiert, aber nachdem ich die ersten Folgen in einer Nachtaktion verschlungen habe, fand ich Zombies plötzlich wieder super. Unter anderen Umständen wäre mir "Warm bodies" vermutlich gar nicht aufgefallen, denn eines lässt sich leider nicht leugnen: Sowohl das aktuelle Cover als auch der deutsche Titel dieses Buch ist einfach mal ausnahmslos schlecht.

Erstens: "Mein fahler Freund" hört sich nicht nach einem spannenden Titel an, sondern klingt wie ein unglaublich abgedroschener Zombie-Verschnitt, der das aktuell bestehende Interesse der Leser für diese Thematik abdecken und gleichzeitig eine Brücke zu Twilight schlagen will (was durch die Tatsache, dass man auch ein Zitat von Stephenie Meyer auf das Cover gesetzt hat, noch verstärkt wird).
Zweitens: Das Coverbild, auf dem die beiden Hauptpersonen der Geschichte abgebildet sind, finde ich persönlich nicht schön. Es orientiert sich zwar an den Beschreibungen im Buch, aber das war's auch schon. Positive Punkte fallen mir zu dieser lieblos wirkenden Zeichnung nicht ein. Von einem Schmuckstück im Regal ist der Roman deshalb leider meilenweit entfernt.
Damit sind nun schon alle negativen Aspekte genannt, deswegen komme ich nun zum angenehmen Teil dieser Rezension, nämlich den Merkmalen des Romans, die ich schön fand :-)

"Schön" ist ein gutes Stichwort, denn ganz im Gegensatz zur äußeren Aufmachung, erwartete mich nach dem Entfernen der Schutzfolie im Inneren eine überraschend schöne Gestaltung: Die erste und letzte Einbandseite sind passend blutrot gefärbt und jedes Kapitel wird mit einer anatomischen Zeichnung eingeführt, die unterschiedliche Ausschnitte des Gehirns, diverser Organe oder der menschlichen Extremitäten zeigt. Diese wiederum passen sehr gut zur Entwicklung der Geschichte und sind ferner eine nette Spielerei.


Das änderte jedoch nichts daran, dass ich vor dem Lesen noch Zweifel hatte, ob mir die Umsetzung der Idee einer Zombie-Liebesgeschichte wirklich gefallen würde. Isaac Marion hat sich auf jeden Fall auf ein sehr, sehr schwieriges Terrain begeben, denn wie beschreibt man das Gefühlsleben und die Gedankengänge eines Wesens, das nach allgemeiner Auffassung gar nicht mehr richtig "lebt", sondern nur noch dahinvegetiert? Wie sollte ich als Leser die Gefühle eines Untoten, der vermutlich nur an Gehirne denken kann, ernst nehmen?

Tja, was macht der Autor also, um mich als Leser zu fesseln? Er greift meine (ziemlich einseitigen) Erwartungen auf, wirft sie einfach über Bord und präsentiert mir R - und schon nach den ersten Seiten war ich diesem Zombie komplett verfallen.
R entspricht einerseits genau dem Bild, was ich mir von einem Zombie gemacht habe: Er wirkt ziellos in dieser düsteren Welt, streift einfach nur umher und verständigt sich hautsächlich über Stöhnen. Für ihn hat Zeit keine Bedeutung mehr, sie hat keine linearen Dimensionen und fließt einfach dahin. Er hat alles vergessen, was er vorher war und scheint zunächst nur wie ein weiteres, leeres Zombiegesicht unter all den anderen zu sein, die grausam Jagd auf Menschen machen.
Doch andererseits ist R eben nicht der typische Zombie, für den ihn alle halten, denn er besitzt immer noch eine Art von Bewusstsein (wenn auch ein eingeschränktes) und denkt über vieles nach. Und diese Gedanken sind klar und unglaublich tiefgreifend. Zwar schreitet auch die Beziehung zwischen R und Julie zusehends voran, doch die eigentliche Botschaft des Romans findet sich in erster Linie in den Dingen, die R nicht aussprechen kann, sondern die seine Gedankengänge dominieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich das nach dem Lesen sagen würde, aber "Warm bodies" ist alles andere als ein Zombie-Twilight-Abklatsch, sondern er ist vielmehr ein philosophischer Roman. Er verbindet geistreiche Inhalte in einer einfachen Sprache, anstatt einen Zombie nur sinnlos rumbrabbeln zu lassen. Auch R's persönliche Entwicklung und die fast schon schüchterne Annäherung an Julie war so gefühlvoll beschrieben, dass ich richtig mitgefiebert habe. Ich bevorzuge bei einer Liebesgeschichte eigentlich die Ich-Perspektive der Frau, aber hier passt es sehr gut, dass R der Ich-Erzähler ist.

Isaac Marion ist einer der besonders schmucken Autoren *_*
Nur noch ein paar wenige Sätze zum gleichnamigen Film, der dem Buch zugrunde liegt: Ich kann ihn nicht abschließend beurteilen, weil ich nur etwa zehn Minuten gesehen. habe, bevor es mir zu dumm wurde. Denn der R, den wir dort kennen lernen, ist ein ganz anderer R als jener im Roman. Hier finden wir eher einen sinnlos plappernden Zombie, dessen Gedankengänge einfach nur leer und nichtssagend sind. Aber vielleicht soll der Film ja eine andere Zielgruppe absprechen, die mehr Handlung und Gefühle zwischen R und Julie sehen will. Es muss ja nicht jeder den gleichen Geschmack haben.




Ich denke, der Roman hat den Anspruch, anders zu sein als das, was man von ihm erwartet. Das schließt auch die Handlung mit ein, denn sie ist zwar verständlich und nachvollziehbar, kommt manchmal aber auch zum Stillstand und lässt am Ende viele Fragen offen. Das Ende selbst hat mich ein wenig irritiert, aber letztlich konnte ich damit leben, weil der ganze Charakter des Romans vermutlich kein anderes Ende zugelassen hätte. Man sollte die Geschichte also nicht wie eine fortlaufende Erzählung lesen, sondern sich darauf einlassen, dass weniger das Resultat, sondern vielmehr der Weg dorthin entscheidend ist. Dies wird auch an den vielen Symbolen und Anspielungen deutlich (so zum Beispiel in der Namensgebung von R und Julie - na, welches Liebespaar soll hier wohl angedeutet werden?)

Für mich war es auf jeden Fall ein faszinierendes Leseerlebnis, das mir einen neuen männlichen Lieblingscharakter gegeben hat :-) Und gerade wegen meiner Vorliebe für nachdenkliche Bücher, die mir nach dem Lesen noch etwas mit auf dem Weg geben, bekommt der Roman von mir fünf von fünf Sternen.

★ ★ ★ ★ ★



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